04.01.2023

Trauer um Dieter Görne

Wir trauern um eine der prägenden Persönlichkeiten des deutschen Theaters: Im Alter von 86 Jahren ist in der Nacht zum 4. Januar 2023 Professor Dr. Dieter Görne verstorben. Zu den Stationen seiner Laufbahn zählte auch Weimar, wo er am Deutschen Nationaltheater Mitte der 60er und 70er Jahre als Dramaturg bzw. stellvertretender Chefdramaturg wirkte und u. a. zum Team der legendären »Faust«-Inszenierungen des Regisseurs Fritz Bennewitz gehörte. Zwischen 1968 und 1974 war er im Weimarer Goethe-und-Schiller-Archiv wissenschaftlich tätig. Es folgten Engagements als Chefdramaturg am Theater in Chemnitz und ab 1984 am Staatsschauspiel Dresden, das er von 1990 bis 2001 als Intendant mit großer Umsicht durch die aufgeregten und bewegten Jahre nach der Wende lenkte. Dabei gelang es ihm Umdenkungsprozesse in Gang zu setzen, Bewährtes aber auch gegen Zumutungen zu bewahren und das komplexe Gebilde Theater damit zu schützen. Hinzu kamen eine Vielzahl anderer Verpflichtungen, denen er weit über seine Pensionierung hinaus nachkam. Er unterrichtete an der Hochschule für Bildende Künste Dresden das Fach Theatergeschichte, wurde 1994 Mitglied der Deutschen Akademie der Künste in Frankfurt am Main, war zwischen 2002 und 2005 Sekretär der Klasse Darstellende Kunst und Film an der Sächsischen Akademie der Künste und ab 2005 deren Vizepräsident.

Zum Team der Dresdener Jahre gehörten auch DNT-Generalintendant Hasko Weber und Chefdramaturgin Beate Seidel, die beide mit Dieter Görne eine enge Zusammenarbeit und Freundschaft verband. Sie erinnern sich an ihn »als einen Menschen, der mit größter Kenntnis und Zugewandtheit Theater gestaltete: Das Dresdner Staatsschauspiel war unter seiner dramaturgischen Leitung zu einem Wallfahrtsort für all diejenigen geworden, die sich für ästhetisch spannendes und politisch brisantes Theater interessierten. Er prägte die Handschriften von Regisseur*innen wie Wolfgang Engel und Irmgard Lange durch seine Inszenierungsbegleitung mit. In der Dramaturgie, der er vorstand, förderte und forderte er einen offenen kritischen Austausch zu allen Theater- und Gesellschaftsfragen. Man konnte mit ihm streiten, denn er hielt gegensätzliche Meinungen nicht nur aus, er forderte dazu auf, sie zu formulieren. Und er schenkte Vertrauen: Unter seiner Intendanz war die Leitung des Schauspiels in die Hände des damals jüngsten Oberspielleiters des deutschen Theaters, Hasko Weber, gegeben.
Wenn wir heute um Professor Dieter Görne trauern, dann um unseren Lehrer, der uns beiden die großen Möglichkeiten unseres Berufes eröffnete. Warmherzig, humorvoll, anteilnehmend, offen und immer respektvoll haben wir ihn in den vielen Jahren unserer Zusammenarbeit erleben dürfen. Und er beherrschte die Kunst des Aufhörens. 2001 legte er das Amt des Intendanten nieder. Er war nun (neben seinen Ehrenämtern) oft begeisterter, immer aber freundlicher Theaterzuschauer, viel beanspruchter Großvater und, wie er einmal lachend sagte, der Vater des berühmten Sängers Matthias Goerne. Wir verlieren an ihm einen wunderbaren Menschen, der viele Jüngere (so auch uns) durch sein Ethos geprägt hat.«

Hasko Weber, Generalintendant & Beate Seidel, Chefdramaturgin am DNT Weimar